Eine Masterarbeit erforscht und bewertet Maßnahmen der Nachhaltigkeit bei medizinischen Kongressen. FH-Prof. Mag. Harald Rametsteiner, Leitung Masterlehrgang Eventmanagement der Fachhochschule St. Pölten, und Antonia Boesch BA MSc, Absolventin des Masterlehrgangs Eventmanagement, fassen im Artikel die Ergebnisse der Masterarbeit zusammen.

Die Nachhaltigkeit spielt in der westlichen Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle. Es wird auch von den Unternehmen politisch und gesellschaftlich gefordert, nachhaltig zu handeln. Diese Entwicklung betrifft auch die Branche der Veranstaltungen und Kongresse, damit verbundene Maßnahmen sind Ausdruck der Verantwortung für das Gemeinwohl.

Die MICE-Veranstaltungen sind ein wichtiger Sektor der Eventbranche, es wird von den Verant-wortungsträgern bzw. den Besucherinnen und Besuchern nachhaltiges Handeln erwartet. Einige europäische Länder bieten in diesem Zusammenhang staatliche Zertifizierungen für nachhaltige Veranstaltungen an, das nationale Österreichische Umweltzeichen ist eine hilfreiche Grundlage für die Zertifizierung. Die nachhaltige Sicht bezieht sich auf die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen eines Meetings, um den CO2-Fußabdruck der Veranstaltung zu berücksichtigen. 

Recherchen zum aktuellen Stand der Forschung haben gezeigt, dass es eine Lücke in der wissenschaftlichen Literatur zum Thema Nachhaltigkeit bei medizinischen Kongressen gibt. Es gibt viele Richtlinien und wissenschaftliche Untersuchungen zur Nachhaltigkeit bei Veranstaltungen im Allgemeinen, aber nicht speziell für medizinische Kongresse. Das kann auch damit zusammenhängen, dass bei diesen Veranstaltungen der fachliche Inhalt immer an erster Stelle steht.

Antonia Boesch hat im Jahr 2022 im Rahmen ihrer Anstellung bei der European Academy of Neurology als Projektkoordinatorin die Masterarbeit geschrieben. Als Referenzkongress wurde der jährliche EAN Kongress herangezogen, welcher im Juni 2022 mit mehr als 8.000 Teilnehmenden in Wien stattgefunden hat. Im Zuge dessen beschäftigte sie sich vertiefend mit dem Schließen dieser Forschungslücke, es wurden Maßnahmen der Nachhaltigkeit auf der Grundlage des Österreichischen Umweltzeichens für medizinische Kongresse und deren mögliche Umsetzung untersucht.

Das Österreichische Umweltzeichen als Grundlage

Das Österreichische Umweltzeichen ist ein freiwilliges Gütesiegel, das umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen bzw. ganze Unternehmen aus bestimmten Branchen auszeichnet. Das Zertifikat umfasst Richtlinien, die ständig weiterentwickelt werden. Das Österreichische Umweltzeichen wird vom Bundesministerium für Klimaschutz und Umwelt (BMK) und vom Verein für Konsumenteninformation geprägt. Das Umweltzeichen soll unabhängig und faktenbasiert feststellen, ob ein Produkt umweltfreundlicher ist als ein vergleichbares Produkt.

Das Österreichische Umweltzeichen (UZ62) für „Green Meetings und Green Events“ zeichnet umweltfreundliche und verantwortungsvoll organisierte Veranstaltungen aus. Eine Veranstaltung nachhaltig zu gestalten bedeutet nicht zwangsläufig, dass es sich um ein Green Event oder Meeting handelt. Um die Veranstaltung wirklich als Green Event zu vermarkten, muss es vorab als solches zertifiziert werden.

Green Meetings sind Kongresse (diese inkludieren auch die medizinischen Kongresse), Tagungen und Konferenzen. Bei geschäftlichen Veranstaltungen treffen sich die Besucherinnen und Besucher zur beruflichen Weiterentwicklung oder zum sozialen Austausch innerhalb einer Berufsgruppe. „Green Meetings“ zeichnen sich durch höhere Energieeffizienz, Abfallreduzierung und umweltfreundlichen Gästezugang aus. Zusätzlich werden die Aspekte lokaler Wertschöpfung und sozialer Verantwortung berücksichtigt.

Ergebnisse der Forschung zu Nachhaltigkeit bei medizinischen Kongressen

Die den Ausführungen zu Grunde liegende Masterarbeit von Antonia Boesch untersuchte das Themenfeld vertiefend über eine empirische Studie. Methodisch gab es ein qualitatives Studiendesign mit einer strukturierten Inhaltsanalyse, es wurden 6 Expertinnen und Experten mit Erfahrung rund um medizinische Kongresse befragt.

Die Ergebnisse der Befragung ergaben, dass die Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens – wie Mobilität, Verpflegung, Unterkunft und Veranstaltungsort – als eine gute Grundlage gesehen werden, um für Veranstaltungstypen wie Kongresse spezifisch modifiziert zu werden. Kritisiert wurde von den Befragten, dass das Umweltzeichen zu weit gefasst ist und mit einem hohen bürokratischen Aufwand beim Zertifizieren als Organisation verbunden ist. Zusätzlich äußerten die Expertinnen und Experten Hürden bei der Umsetzung der Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens auf internationaler Ebene, das hängt in der Praxis auch mit Problemen im Vertrauen zu den ansässigen Lieferanten bzw. fehlender getrennter Müllentsorgung im Land zusammen.

Zum Abschluss der in Englisch verfassten Masterarbeit wurde ein Katalog nachhaltiger Maßnahmen bei medizinischen Kongressen abgeleitet. Die Grundlage waren die Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens bzw. die Erfahrungen der befragten Expertinnen und Experten.

Ein Maßnahmenkatalog für Nachhaltigkeit bei medizinischen Kongressen

Maßnahmen im Bereich Mobilität sind Rabatte für Bahntickets zum Reduzieren des Flugverkehrs, Förderung von Fahrgemeinschaften, Möglichkeiten zum Ausgleich des CO2-Fußabdrucks zum Unterstützen neuer nachhaltiger Projekte und das Anpassen der Veranstaltungszeiten an die öffentlichen Verkehrsmittel. Maßnahmen im Bereich Veranstaltungsort & Unterkunft sind das Bevorzugen nachhaltiger Hotels, das Nutzen dauerhafter Gebäude als Veranstaltungsort, das eingeschränkte Nutzen von Heiz- oder Kühlmöglichkeiten bzw. die möglichst starke Einbindung des Tageslichts in den Räumen.

Maßnahmen im Bereich Material- & Abfallmanagement sind die das Abfallwirtschaftssystem des Veranstaltungsorts, das Hinterfragen des Materials wie Catering-Geschirr der Lieferanten, das Wiederverwenden von Kennzeichen wie Badges oder Schlüsselbändern, das Reduzieren der Werbegeschenke und das Verwenden umweltfreundlicher Reinigungsprodukte. Maßnahmen im Bereich Standbau sind Anreize für das Verwenden nachhaltiger Produkte, das Wiederverwenden von Material und der Messestände und die Einbindung bedürftiger Menschen für den Auf- und Abbau. Maßnahmen im Bereich Catering & Gastronomie sind das Anbieten vegetarischer oder veganer Speisen, der Einsatz regionaler, saisonaler und biologischer Speisen und Getränke wie Fair Trade Kaffee, das Spenden überzähliger Speisen an Organisationen zum Vermeiden von Lebensmittelverschwendung und der sparsame Einsatz von Geschirr. Maßnahmen im Bereich Kommunikation sind digitale Werbeformen, die Weiterbildung zum Thema Nachhaltigkeit und das Einbeziehen aller Mitwirkenden zu nachhaltigen Maßnahmen.

Zusammenfassend bestätigen die Erkenntnisse der Masterarbeit, dass die Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens eine hilfreiche Grundlage für nachhaltige Maßnahmen bei medizinischen Kongressen sind. Der aus der Literatur und Experteninterviews abgeleitete Maßnahmenkatalog kann bei der konkreten Umsetzung in der Praxis unterstützen.

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Quelle: Messe & Event Magazin

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Kategorien: Messebau

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